3, 2, 1, keins! Keine Alternativangebote bei RA und Gutachter

Eine rechtssichere Beschlussfassung über die Beauftragung von Rechtsanwalt oder Privatgutachter (Bausachverständiger) setzt keine Alternativangebote voraus. Die bundesweit verbreitete Forderung vieler Instanzgerichte nach „mindestens“ drei Vergleichsangeboten im Beschlusszeitpunkt gerät mehr und mehr ins Wanken. Obschon der Bundesgerichtshof (BGH) eine derartige Vorgabe niemals aufstellte, fordern Amts- und Landgerichte unbeirrt drei Vergleichsangebote. Obwohl der BGH mehrfach zum Ausdruck brachte, dass es eine derartige Doktrin nicht gibt, muss die Verwalterpraxis angesichts des Anfechtungsrisikos vorsichtig sein und sich im Zweifel fügen. Nun – so scheint es – ist dem BGH wieder mal „der Kragen geplatzt“. Jedenfalls für die Beschlussfassung über die Beauftragung eines Rechtsanwalts oder von Gutachtern im Hinblick auf die Feststellung und Rechtsverfolgung von Mängeln am gemeinschaftlichen Eigentum müssen keine Alternativangebote anderer Rechtsanwälte bzw. Gutachter vorliegen.

Mit Urteil vom 18.07.2025 zum Aktenzeichen V ZR 76/24 entschied der BGH nicht nur, dass eine hinreichende Tatsachengrundlage (Entscheidungsgrundlage) auch durch ein einziges Angebot gewährleistet sein kann, sondern darüber hinaus, dass es im Ermessen der Wohnungseigentümer liegt, im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung eine vom Verwalter ohne vorherigen Beschluss veranlasste Anwalts- der Gutachterbeauftragung nachträglich zu genehmigen, und zwar jedenfalls dann, wenn die beauftragte Maßnahme selbst ordnungsmäßiger Verwaltung entsprach.

Der Fall

Die Klägerin ist Bauträgerin und Mitglied der beklagten GdWE. Coronabedingt fand 2020 keine Eigentümerversammlung statt. Vor dem Hintergrund der im Oktober 2021 drohenden Verjährung von Mängelansprüchen aus den Bauträgerverträgen beauftragte der Verwalter im Frühjahr 2021 drei Sachverständige im Namen der GdWE mit einer Bestandsaufnahme zur Mängelfeststellung. Die Begutachtung ergab einen Mängelbeseitigungsaufwand von knapp 470.000 EUR. Die Gutachter berechneten knapp 50.000 EUR Honorar. Der Verwalter beauftragte im Namen der GdWE eine Rechtsanwaltskanzlei. Beschlussfassungen gingen diesen vier Vertragsschlüssen nicht voraus. (Erst) In einer Versammlung im Juli 2021 wurde mehrheitlich beschlossen, die erteilten Aufträge und bisherigen Kosten nachträglich zu genehmigen (TOP 6), die Rechtsanwaltskanzlei mit der außergerichtlichen und notfalls gerichtlichen Geltendmachung eines Kostenvorschusses zur Beseitigung der gutachterlich festgestellten Mängel zu beauftragen (TOP 7d) und hierzu mit der Kanzlei eine Vergütungsvereinbarung abzuschließen, deren Stundensätze 300,00 EUR netto je Anwaltsstunde und 150,00 EUR netto je Sekretariatsstunde nicht überschreiten dürfen (TOP 8). Das Amtsgericht München wies die Anfechtungsklage ab, das Landgericht München I gab ihr in der Berufungsinstanz statt. Die Nichtzulassungsbeschwerde und Revision der GdWE waren erfolgreich. Der BGH hält die Beschlüsse für rechtens.

Die Entscheidung 

Der BGH sieht die Grundsätze einer ordnungsmäßigen Verwaltung durch die hier eingeschlagene Vorgehensweise gewahrt. Dahinstehen konnte, ob der Verwalter die Aufträge ohne vorherigen Beschluss erteilen durfte. Jedenfalls sei die GdWE berechtigt gewesen, die erteilten Aufträge nachträglich zu genehmigen, da sie angesichts der erkennbaren Mängel und drohenden Verjährung ordnungsmäßig waren. Zwar sei es richtig, dass die Bestandskraft der Genehmigungsbeschlüsse eine Art Entlastungswirkung („Einzelfallabsolution“) zugunsten des Verwalters darstellen, was in dem vorliegenden Fall aber unbedenklich gewesen sei. Die Klägerin (Bauträgerin) habe nicht darlegen können, dass Begutachtung und Rechtsverfolgung erkennbar unnötig oder die Gutachter und Rechtsanwaltskanzlei personell oder fachlich untauglich gewesen seien.

Der in der amts- und der landgerichtlichen Rechtsprechung sowie in Teilen des Schrifttums vertretenen Ansicht, vor jedweder Verwaltungsmaßnahme, die nicht nur unerhebliche finanzielle Aufwendungen erfordere, sei die Einholung von – zumeist drei – Vergleichsangeboten erforderlich, um für eine Entscheidungsgrundlage zu sorgen, erteilt der BGH eine Absage. Der BGH betont, dass aus seiner Rechtsprechung eine allgemeine Pflicht zur Einholung von Alternativangeboten nicht hervorgehe. Speziell bei der Beauftragung eines Rechtsanwalts sie dies nicht erforderlich, weil Stundensatz und Zeitkontingent den Wohnungseigentümern die Stärken und Schwächen der Leistungsangebote ohnehin nicht aufzeigen können.

Quelle:
Verband der Immobilienverwalter Deutschland e. V. (VDIV Deutschland)
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