BGH: Seine Online-Teilnahme an der Präsenzversammlung muss der Wohnungseigentümer aktiv verlangen – grundsätzlich keine Anbietpflicht von Verwalter und GdWE

Im Frühjahr 2024 hatte sich der Bundesgerichtshof (BGH) zu den Auswirkungen der Coronazeit auf Eigentümerversammlungen geäußert (siehe den Newsletter vom 18.03.2024 BGH: Corona-Vertreterversammlungen haben keine nichtigen Beschlüsse herbeigeführt | VDIV Immobilienverwalter). Im Herbst 2024 kommt eine zweite Entscheidung hinzu, die die Zeit der Lockdown-Lockerung von „2G“- auf „3G“-Regelungen betrifft, darüber hinaus aber auch allgemeine Aussagen für Wohnungseigentümer enthält, die von ihrem Online-Teilnahmerecht an einer hybriden Präsenzversammlung Gebrauch machen möchten.

(Siehe den Newsletter vom 18.03.2024 BGH: Corona-Vertreterversammlungen haben keine nichtigen Beschlüsse herbeigeführt | VDIV Immobilienverwalter)

Mit Urteil vom 20.09.2024 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 123/23 sprach der BGH ein Urteil, welches u.a. die beiden folgenden amtlichen Leitsätze hervorgebracht hat: 1. Der Verwalter muss, wenn ein Grundlagenbeschluss nach § 23 Abs. 1 Satz 2 WEG gefasst worden ist, nicht bereits in der Ladung zur Eigentümerversammlung auf die Möglichkeit der Online-Teilnahme hinweisen und die dafür notwendigen technischen Details mitteilen. 2. Ein Wohnungseigentümer, dem die Online-Teilnahme an der Eigentümerversammlung durch Beschluss gestattet ist, muss aktiv von seinem Recht auf Online-Teilnahme Gebrauch machen. Der Verwalter kann dieses Verlangen abwarten und muss die Online-Teilnahme auch dann nicht von sich aus (vorsorglich) anbieten, wenn ein Wohnungseigentümer ihm mitteilt, dass er an der Versammlung nicht physisch teilnehmen kann.

Der Fall

Es geht um eine Anfechtungsklage. Die Klägerin ist Wohnungseigentümerin in einer GdWE in Bayern. In der Eigentümerversammlung vom 05.07.2021 beschlossen die Eigentümer unter TOP 8a: „Abhaltung von Hybridversammlungen: Die Wohnungseigentümer sind damit einverstanden, dass Eigentümerversammlungen im Rahmen einer Hybridversammlung abgehalten werden können für den Fall, dass Präsenzversammlungen nicht möglich sind.“ Mit Schreiben vom 10.02.2022 lud der Verwalter zu einer Versammlung am 04.03.2022 ein. Die Einladung enthielt einen Hinweis auf die wegen der COVID-Pandemie seinerzeit in Bayern geltenden „2G“-Regelungen. Die Klägerin zeigte dem Verwalter an, dass es ihr nach diesen Regelungen unmöglich sei, an der Eigentümerversammlung teilzunehmen, weil sie weder gegen das Coronavirus geimpft noch von einer Infektion mit dem Virus genesen sei. Sie beantragte die Absage der Versammlung. Diese fand dennoch am 04.03.2022 statt. 2 Tage zuvor – am 02.03.2022 – war die Bayerische Infektionsschutzmaßnahmeverordnung durch Ministerratsbeschluss mit Wirkung zum 04.03.2022 0:00 Uhr – also dem Versammlungstag – von „2G“ auf „3G“ gelockert worden. Die Klägerin hätte teilnehmen dürfen, was sie jedoch aus unbekannten Gründen nicht tat. Es wurden in der Versammlung mehrere Beschlüsse gefasst, die die Klägerin allesamt anfocht.

Die Entscheidung

Das Amtsgericht Fürth in erster Instanz hatte der Klage stattgegeben und war der Argumentation der Klägerin gefolgt, die eklatante Verletzung ihrer Teilnahmerechte müsse zur Nichtigkeit sämtlicher Beschlüsse führen. Das Landgericht Nürnberg-Fürth in der Berufungsinstanz folgte dem zumindest im Ergebnis (Nichtigkeit nein, Rechtswidrigkeit ja) und bejahte einen ursächlichen Ladungsmangel, da der Verwalter es ermessensfehlerhaft versäumt habe, die Klägerin aufgrund deren Mitteilung auf die Online-Teilnahmemöglichkeit gemäß Beschlusslage hinzuweisen. Da das Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen hatte, erhob die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde, mit der sie Erfolg hatte.

Anders als das Landgericht verneint der BGH einen Ladungsmangel. Der BGH führt aus, dass der Hinweis auf einen in der Vergangenheit gefassten Gestattungsbeschluss, der das hybride Format freigebe, nicht zum notwendigen Inhalt der Ladung gehöre. Dem Wohnungseigentümer müsse die Beschlusslage bekannt sein. Insoweit gelte dasselbe wie für den Hinweis auf eine Vertretungsmöglichkeit, der ebenfalls nicht zum notwendigen Inhalt gehöre. GdWE und Verwalter dürften vor diesem Hintergrund erwarten, dass ein verhinderter Wohnungseigentümer zunächst im eigenen Interesse überprüfe, ob er Zeit für die Versammlung habe und über die nötige technische Ausstattung für die Online-Teilnahme verfüge. Erst wenn der Wohnungseigentümer dem Verwalter mitteile, er wolle online an der Versammlung teilnehmen, müsse der Verwalter ihm dies ermöglichen und rechtzeitig die dafür notwendigen technischen Details mitteilen.

Quelle:
Verband der Immobilienverwalter Deutschland e. V. (VDIV Deutschland)
Leipziger Platz 9
10117 Berlin
T 030 300 96 79-0
office@vdiv.de
www.vdiv.de

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